Was der Creditreform Bonitätsindex NICHT bewertet – und warum das gefährlich ist

Veröffentlicht am: 25. März 2025

Der Bonitätsindex der Creditreform gehört zu den etabliertesten Bewertungssystemen für Unternehmen in Deutschland. Er beeinflusst Zahlungsziele, Kreditentscheidungen und Risikomanagement – besonders bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Doch so verbreitet der Score ist, so oft wird übersehen, dass er wichtige Risiken nicht abbildet. Und genau das kann gefährlich sein.

1. Was der Creditreform Bonitätsindex tatsächlich misst

Der Score basiert auf einer Vielzahl quantitativer und qualitativer Faktoren. Laut Creditreform fließen unter anderem ein:

Der resultierende Score liegt zwischen 100 (exzellente Bonität) und 600 (akute Insolvenzgefahr). Je niedriger der Wert, desto besser.

2. Die blinden Flecken

So umfangreich die Datengrundlage auch ist – einige Risiken entziehen sich dem Score komplett. Und genau diese sind oft entscheidend:

❌ Aktuelle Liquiditätslage

Der Score basiert auf historischen Zahlungserfahrungen. Doch die tatsächliche Zahlungsfähigkeit eines Unternehmens heute – etwa wegen plötzlich ausgefallener Kunden – wird nicht erkannt. Eine akute Liquiditätskrise kann sich erst Wochen später im Score niederschlagen.

❌ Kundenabhängigkeit und Klumpenrisiken

Umsatzzahlen alleine sagen wenig aus. Wenn ein Unternehmen 80 % seines Umsatzes mit einem einzigen Kunden erzielt, entsteht ein erhebliches Risiko – das im Score nicht auftaucht.

❌ Strategische Umbrüche

Führungswechsel, Eigentümerwechsel, Umstrukturierungen oder Merger & Acquisitions – all das beeinflusst die Stabilität eines Unternehmens. Diese Faktoren werden vom Score nur sehr verzögert oder gar nicht berücksichtigt.

❌ Auftragslage und Pipeline

Der Score kennt keine internen Zahlen zur aktuellen Vertriebs- oder Projektlage. Ist das Unternehmen auf Wachstumskurs oder stagnierend? Ist die Pipeline voll oder leer? Keine Aussage.

❌ Bilanzkosmetik und Datenverzerrung

Kleine GmbHs veröffentlichen oft verkürzte Bilanzen, deren Aussagekraft begrenzt ist. Strategische Gestaltung (z. B. durch stille Rücklagen oder Auslagerungen) wird nicht hinterfragt.

❌ Reputations- und ESG-Risiken

Negative Berichterstattung, Umweltverstöße, Datenschutzprobleme – all das kann die Außenwirkung massiv beeinflussen. Der Score blendet diese weichen Faktoren weitgehend aus.

3. Fallbeispiel: Wenn der Score trügt

Ein Handelsunternehmen aus Süddeutschland hatte 2023 einen Creditreform Bonitätsindex von 187 – also eine geringe Ausfallwahrscheinlichkeit. Nur vier Monate später musste Insolvenz angemeldet werden. Der Grund: Der Hauptkunde – ein Großimporteur – stellte überraschend Zahlungen ein. Binnen 6 Wochen war die Liquidität erschöpft. Der Score reagierte zu spät.

3. Fallbeispiel: Wenn der Score trügt

Bewertet im ScoreNicht berücksichtigt
ZahlungserfahrungTatsächliche Liquidität heute
Bilanzen und UmsatzKundenstruktur und Klumpenrisiken
UnternehmensalterPipeline & Auftragslage
BranchenrisikoFührungswechsel oder Strategiewechsel
ManagementerfahrungReputations- & ESG-Risiken

5. Was Sie zusätzlich prüfen sollten

Der Score ist ein guter Einstieg, aber keine vollständige Analyse. Unternehmen sollten mindestens folgende Faktoren zusätzlich bewerten:

6. FAQ

Warum hat der Creditreform Bonitätsindex Grenzen?

Weil er nur auf öffentlich zugänglichen und standardisierten Daten basiert. Kritische Frühindikatoren bleiben dabei oft unberücksichtigt.

Ist der Score dennoch sinnvoll?

Ja – als Orientierung. Aber er darf nicht als alleinige Entscheidungsgrundlage verwendet werden.

Was kann ich tun, um über den Score hinauszugehen?

Ergänzen Sie ihn durch qualitative Analyse, Interviews, Marktbeobachtung und strukturierte Risikoprüfung – intern oder extern.

7. Fazit

Der Creditreform Bonitätsindex ist wertvoll – aber unvollständig. Wer ihn falsch interpretiert, geht unbewusst Risiken ein. Gerade im Mittelstand, wo einzelne Ausfälle existenzbedrohend sein können, gilt: Bonität braucht mehr als nur eine Zahl.

Unsere Empfehlung: Verlassen Sie sich nicht blind auf den Score. Nutzen Sie ihn als Komponente – nicht als Ersatz – einer ganzheitlichen Risikoprüfung.


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